Tag 18: Ngaung Shwe – Inle-See
Es ist 3:00 Uhr nachts, als wir von unserem Bus in Ngaung Shwe am Inle See abgesetzt werden. Die wenigen Menschen, die mit uns aussteigen, sind innerhalb von wenigen Minuten verschwunden und so stehen wir allein in diesem stockdunklen Örtchen auf einer staubigen Straße und ohne einen Plan. Immerhin sind wir am richtigen Ort – im Gegensatz zu den vier Französinnen, die eine Stunde früher in Kalaw hätten aussteigen wollen und den Halt verpasst hatten. Sie mussten nun mit dem Taxi zurück fahren.
Irgendwas wird passieren, sagt meine neu gewonnene Burmesische Gelassenheit… und es passieren gleich zwei Dinge. Zunächst hält ein Myanmarer mit seiner Fahrradrikscha, der kein einziges Wort Englisch spricht, uns aber wohl gern mitnehmen würde, wohin auch immer. Ich versuche ihm zu erklären, dass hier offenbar ein Denkfehler vorliegt, denn auf den einen winzigen Platz seiner Fahrradrikscha passen auch bei Zusammenrücken keine zwei Personen mit Gepäck – ohne Erfolg. Also wieder auf Myanmarisch: Kopfschütteln, Handwackeln, „No!“. Klappt, zumindest für’s erste, denn er wird noch die ganze Nacht immer wieder unseren Weg kreuzen und fragend ansehen. Kurz darauf kommt ein Mann in Uniform, der von uns offenbar eine Touristenabgabe oder Eintritt für diesen Nationalpark kassieren möchte. Ich bin nicht sicher, ob er meine schon leicht genervte Erklärung verstanden hat, dass wir erst einmal schauen müssen, ob wir ein Hotel finden und überhaupt in diesem Örtchen bleiben können, jedenfalls folgt er uns die nächste halbe Stunde wortlos, während wir in dem ohne Straßenbeleuchtung stockfinsteren Ort umherirren und eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. Eine ziemlich eigenartige Situation. Irgendwann leuchtet es wohl auch ihm ein, dass er hier nicht weiterkommen wird und er gibt auf.
In den folgenden 4 Stunden laufen wir mit unseren schweren Gepäck die halbe Stadt ab, klingeln beim einen oder anderen Hotel und reißen die Nachtwache aus dem Schlaf, bekommen aber immer die gleiche Antwort: fully booked. Bei einem Hotel klettern wir sogar über den Zaun, weil sich der Nachtportier, den wir in der Empfangshalle schlafen sehen, auch durch Dauerklingeln nicht wecken lässt, aber auch hier werden wir am Ende nicht fündig. Als der Morgen anbricht, treffen wir als erstes einen Touristen, der auf dem Weg zum Bus ist und uns zu einem Kloster schickt, das einen Saal mit Matten für Touristen eingerichtet hat, die kein Hotel gefunden haben. Etwa 50 Matten liegen bereits auf dem Boden dieser Halle, die an eine Notunterkunft erinnert. Eine Übernachtung soll 5.000 Khat kosten. Wir beschließen, unser Gepäck hier abzustellen und zunächst nochmal bei Tageslicht nach einem richtigen Hotel zu suchen.
Das Hotelsystem in Myanmar hat noch durchaus optimierungspotenzial. Abgesehen von den großen Luxushotels gibt es kein richtiges Buchungssystem und die Betreiber wissen oft nicht, wie lange ihre Gäste überhaupt bleiben. So kann es vorkommen, dass man um 10:00 Uhr in einem Hotel die Auskunft erhält, es sei ausgebucht, um 12:00 Uhr kann es aber schon ganz anders aussehen und plötzlich sind 3 Zimmer frei. Eine Touristeninformation kann in der Regel auch nicht so richtig weiterhelfen, denn zum einen haben sie keine Hotelliste und zum anderen funktioniert die Telefonleitung nicht immer so, wie sie soll – ganz abgesehen davon, dass auch hier nicht selbstverständlich ist, dass die dortige Person auch englisch spricht.
Auf einem Treppenabsatz an der noch immer unbelebten Hauptstraße treffen wir einen Schweizer Backpacker, der nach einigen Tagen am Inle See nun weiterziehen will. Er gibt uns die Nummer eines Myanmarers, den er hier kennengelernt hat und der ihm die Telefonnummer seines Onkels gab, welcher hier ein Hotel betreibt. Er selbst hätte es nicht genutzt, aber wir könnten ja mal unser Glück versuchen. Offenbar haben sich die vielen Tempelbesuche der letzten Tage gelohnt, denn wir haben nun tatsächlich Glück. Zwar hat auch der Onkel kein verfügbares Zimmer, allerdings kennt er jemanden, bei dem es klappen könnte und tatsächlich ergattern wir eines der wenigen begehrten Zimmer im Hotel Joy für 28 USD, wenn auch zunächst nur für eine Nacht.
Die Zeit bis zum check-in überbrücken wir, in dem wir entlang der Kanäle und Gassen den Ort erkunden und landen im malerischen und cool gestylten Restaurant „Viewpoint“ direkt an der alten Holzbrücke über den belebten Fluss, auf dem hunderte von langen alten Motor-Holzbooten entlang rasen. Das Viewpoint besteht u.a. aus einem runden zweistöckigen Gebäude, dessen gesamte obere Etage aus Restaurant besteht, von dem man die beste Aussicht auf das Treiben am und auf den Fluss hat. Betrieben wird es von einem Schweizer, der sich hier niedergelassen hat und mit diesem Restaurant und dem angrenzenden Hotel seinen Traum erfüllt hat. Dabei hat er keine Kosten und Mühen gescheut, das Gebäude setzt sich sowohl architektonisch als auch vom Ambiente herausragend von den übrigen Lokalen der Stadt ab. Ein absoluter Tipp, wenngleich wir normalerweise auf Reisen die Luxusklasse eher meiden und einheimische Lokale bevorzugen.
Um die Mittagszeit holen wir unser im Kloster-Schlafsaal zwischendeponiertes Gepäck wieder ab, checken in unser Hotelzimmer ein und ruhen uns nach unserer Nachtwanderung erstmal eine Stunde aus, bevor es auf die Nachmittagstour geht. Wir haben gehört, dass derzeit in Taung Gyi das einwöchige Ballon-Festival stattfindet, dazu heute auch noch das Feuer- und Vollmondfest!
Mit einem bereits mit Einheimischen vollgestopften Pickup fahren wir für 1.000 Khat pro Person nach Taung Gyi, wo wir an einer Straßenkreuzung abgesetzt werden und den restlichen Weg zu Fuß in Richtung Riesenpagode quer durch diese echt quirlige und geschäftsreiche Stadt zurücklegen. Je näher wir uns der Pagode nähern, desto voller wird es, bis wir uns schließlich in einer einzigen Menschenmenge mittreiben lassen. Unterwegs lernen wir von einigen Myanmarer angesprochen, z.B. von einem sehr gut englischsprechenden Vater mit seiner 10jährigen Tochter, der gern möchte, dass sein Kind ihr Englisch ein wenig praktiziert.
In und auf dem Vorplatz der Pagode herrscht richtige Volksfeststimmung: Familienpicknick, Kinder spielen fangen, es wird telefoniert, gelacht, gequatscht, Schuhe am Rand gelagert etc., nebenbei wird im Tempel immer mal wieder Buddha gehuldigt, alles ganz entspannt. An einigen Ständen, mit winzigen Plastik-Hockern davor, werden verschiedene kleine Spieße gegrillt, von denen ich gleich mehrere probiere. Inzwischen hat auch die Prozession den Tempel erreicht, die bereits in der Stadt begonnen hatte und nun einmal um den Tempel herum und schließlich in ihn hineingeht, gefolgt von unzähligen Menschen, einschließlich uns.
Auf die Ballons möchten wir nicht mehr warten, weil es zwischenzeitlich richtig kalt geworden ist und wir auch keine Ahnung haben, was genau dabei passiert und wo man es überhaupt zu Gesicht bekommt. Da wir bei der Hinfahrt aber irgendwo an einer Kreuzung abgesetzt wurden, haben wir keine Ahnung, wo wir eine Fahrgelegenheit zurück finden könnten. Um den Menschenmassen zu entkommen, besteigen wir erstmal den nächstbesten Bus, in der Hoffnung, dass er uns schon irgendwo an eine Hauptstraße bringen wird. Es ist ein alter Schulbus ohne Sitze, der innen ungefähr 1,70 m groß und gerammelt voll ist. Nun sind die Myanmarer im Schnitt deutlich kleiner und während alle anderen im Stehen gemütlich aus dem Fenster schauen können, stehen wir eingequetscht mit abgewinkelten Köpfen dazwischen und stellen dabei ein Highlight für die anderen Fahrgäste dar, die uns zwischendurch sogar Obst anbieten. Dazu werden wir unentwegt vom bus-boy auf myanmarisch angequatscht – für die Ausführung meines erlernten Sprachschatzes fehlt mir allerdings der Platz. Mehr als eine Stunde stehen wir so, in der sich der Bus geschätzte 50 Meter fortbewegen konnte, weil die Straße komplett verstopft ist. Irgendwie schaffen wir es dann doch, unser Fahrtziel mitzuteilen und wir werden an der Taung Gyi Carstation abgesetzt, wo die Pick-ups abfahren sollen – tun sie leider nach 22:00 Uhr nicht mehr, so dass wir das älteste Taxi nehmen, das wir bisher hier gesehen haben und für 22.000 Khat und einigen Unterbrechungen, weil der Motor immer wieder ausging, zurück nach Ngaung Shwe fahren.