Tag 2: Kashan und Umgebung
Nach dem Frühstück im Innenhof des Esfahn Hotels werden wir tatsächlich pünktlich um 10:30 Uhr vom Hotel abgeholt. Der Fahrer, der Ehemann unserer Scout vom Vorabend, spricht natürlich eher rudimentäres Englisch und das Auto, in dem bereits ein junger Holländer sitzt, der ebenfalls diese Tour gebucht hat, ist eine alte schäbige Karre. Trotzdem ist die Stimmung sehr nett, als sich unser Wagen in Bewegung setzt.
„Eines Morgens, in aller Frühe, bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao ciao…“, „Almani!“ ruft unser Fahrer, während er sich breit lächelnd zu uns nach hinten dreht und das Radio lauter macht, „…eines Morgens, in aller Frühe, stießen wir auf uns’ren Feind…“ Etwas zurückhaltend stimme ich ihm zu und überlege dabei, ob wohl der örtliche Geheimdienst das Hören revolutionärer Lieder schon als Zeichen eines versuchten Staatsumsturzes deuten könnte. Auf der anderen Seite haben wir hier im Taxi auch schon Modern Talking gehört, was meines Erachtens eine viel verheerendere Wirkung auf die einheimische Bevölkerung haben könnte. Ein bisschen seltsam erscheint es uns aber doch, mit dieser Musik durch den Iran zu fahren. „…Partisanen, kommt, nehmt mich mit Euch, denn ich fühl‘ der Tod ist nah…“. Zuletzt habe ich dieses Lied in den 80ern gehört, als Pali-Tücher und Che-Buttons noch „in“ waren.
Nach kurzer Fahrt kommen wir zur Underground City of Nushabad, einem riesigem Labyrinth von unterirdischen Gängen, die den Bewohnern in früheren unsicheren Zeiten als Zufluchtsort dienten. Das Gewirr von Gängen ist auch heute noch nicht vollständig erforscht und für Touristen ist nur ein kleiner Teil der tief unter der Erde liegenden Tunnelgänge freigegeben, dennoch ist es ein interessanter Ort, dessen Besuch sich schon lohnt, auch wenn es uns natürlich mal wieder 200.000 Rial pro Person Eintrittsgeld kostet.
Unser zweiter Stopp ist der Shazadeh-ye Ibrahim Shrine, ein eher kleiner, aber doch ganz hübscher Schrein, der im Inneren mit hunderttausenden kleinen Spiegeln gekachelt und durchaus sehenswert ist.
Eine der Hauptattraktionen der Stadt Kashan soll nach zahlreichen Berichten der Fin Garden sein, der einige Kilometer südwestlich der Stadt liegt. Für 200.000 Rial Eintritt kann man durch eine große und von zahlreichen Brunnen und Wasserläufen durchzogene Gartenanlage mit einigen schönen Gebäuden schlendern. Ich persönlich finde Gartenanlagen nicht gerade spektakulär, aber diese ist schon ganz hübsch und ein guter Ort, um der Mittagshitze zu entfliehen im Schatten der großen alten Bäume dieses künstlerisch gestalteten Areals. 1852 wurde hier im Haman Schah Amir Kabir ermordet, angeblich durch einen Gesandten des Kadscharenkönigs Naser ad-Din Schah. Um diese Episode für den Besucher anschaulich rüberzubringen, wird die Szene seiner Ermordung im Haman mit Puppen hinter Plexiglas nachgestellt – davor zahlreiche Iraner/-innen, die vor der Szenerie posieren und sich fotografieren lassen.
Als Highlight der Region wird oft das Bergdorf Abyaneh genannt, ein historisches Städtchen, das sich 55 km südlich von Kashan an den Hängen des Karkas-Gebirges befindet. Für 100.000 Rial Eintritt spazieren wir durch die engen Gassen des aus Lehmgebäuden bestehenden Dörfchens. Durch das Dorf führt ein ausgeklügeltes System von kleinen Gräben und Kanälen, die Wasser durch den Ort leiten. Eigentlich sollen hier noch rund 300 Personen leben, wir sehen allerdings nur etwa 5, die auf ihren ausgebreiteten Deckchen traditionelle Kleidungsstücke als Souvenir verkaufen möchten. Auch Touristen sieht man hier nicht, zur frühen Nachmittagszeit wirkt der Ort eher wie vollständig ausgestorben. Wir erklimmen noch einen Hügel auf der gegenüberliegenden Seite, um ein Panorama-Foto vom gesamten Dorf zu schießen und machen uns bald schon wieder auf den Weg.
Da wir uns ohnehin schon südlich von Kashan befinden, hatten wir zuvor mit dem Fahrer vereinbart, uns auf dem Rückweg an der Autobahn abzusetzen, wo wir den Bus nach Isfahan nehmen möchten. Wir stehen also eine halbe Stunde später an der Kreuzung zur Autobahn, direkt vor dem militärischen Sperrgebiet einer Atomanlage (ja, einer dieser berühmt-berüchtigten iranischen Nuklearanlagen, selbstverständlich Hochsicherheitstrakt und entsprechend gut bewacht!) und warten auf einen Bus, der schon nach etwa 15 Minuten vorbeikommt und zwei Plätze in der vorletzten Reihe für uns frei hat. Beim Bezahlen versucht uns des Busfahrers Gehilfe dann übers Ohr zu hauen. Er möchte zunächst 400.000 Rial haben, was uns schon ziemlich teuer vorkommt und als wir ihm dann einen 500.000 Rial-Schein geben, zeigt er auf Lisa und möchte von ihr ebenfalls 400.000 haben. Ich frage auf Englisch in die Runde der Mitreisenden, wieviel sie denn so bezahlt haben und plötzlich scheint das Thema für ihn erledigt zu sein. Er murmelt etwas, das wir so verstehen, die restlichen 100.000 Rial seien für den Fahrer, und dann verschwindet er erstmal wieder nach vorne, während wir zunächst versuchen, über die Internetverbindung des Handys ein günstiges Hotel in Isfahan klarzumachen. Später beim Aussteigen in Isfahan spreche ich den Busfahrer noch einmal auf den Preis an und noch bevor ich meinen ersten Satz zu Ende führen kann, drückt er mir 200.000 Rial in die Hand. Dazu will er uns auch gleich noch ein Taxi organisieren, einen Privatwagen, der außerhalb des Busterminals steht – reiner Freundschaftsdienst natürlich…
Unser Gepäck ist schon im Wagen verstaut, da kommt ein junger Mann, der offenbar Funktionär im regionalen Transportwesen ist, um die Ecke und spricht unseren Fahrer mit deutlichen Worten an, woraufhin dieser wieder aussteigt und den Kofferraum öffnet, um unser Gepäck auszuladen. Der junge Mann bringt uns zurück zum offiziellen Taxistand im Terminal und erklärt uns, dass nur die gelben Taxis die richtigen seien und alle anderen würden nur versuchen, Touristen zu betrügen. Obwohl dies die Fahrer der gelben Taxis natürlich gar nicht versuchen, handeln wir unseren Fahrer auf die Hälfte seines vorgeschlagenen Fahrpreises herunter… 😉
Wir lassen uns zum Hotel Totia bringen, das relativ modern aussieht, zentral gelegen ist und laut Internetrecherche auch preislich in Ordnung sein soll. Etwas verwirrt schaut mich die junge Frau am Empfang an, als ich ihr deutlich mache, dass ich unter keinen Umständen ein Zimmer im Keller beziehen würde. Bei sommerlichen Temperaturen bis 40 Grad sind die Kellerzimmer wahrscheinlich hier heiß begehrt, und auch die Restaurants befinden sich in der Regel in den Untergeschossen. Wir aber weigern uns hartnäckig. Als Alternative kann sie uns nur ein 5-Bett-Zimmer anbieten, das stolze 75 USD kosten soll. Dass es bereits später Abend ist und wir nur 2 (!) Personen sind, spielt auch hier keine Rolle. Wir schaffen es aber mit guten Argumenten, den Preis noch ein wenig zu korrigieren und nehmen es notgedrungen für 45 USD. Für die Suche nach einem anderen Hotel fühlen wir uns einfach zu erschöpft.