Tag 11: Ali Sadre Caves, Kangava und Bisotun
Als eine der größten Sehenswürdigkeiten der Gegend werden die Ali Sadre Caves empfohlen, ein großes verzweigtes Höhlengewirr, das nur mit kleinen Bötchen zu befahren ist. Da wir schon mal hier in der Gegend sind, wollen wir uns diese Attraktion natürlich nicht entgehen lassen, bevor wir weiter nach Tabriz in den hohen Norden Irans fahren wollen.
Wir stehen also mal wieder früh auf und begeben uns zunächst zu einem kleinen Reisebüro gegenüber unseres Hotels, das uns am Vorabend aufgefallen war. Unser Plan ist, ein Auto mit Fahrer zu mieten, der uns zu den Ali Sadre Caves sowie nach Kangava und Bisotun fährt, wo sich das Darius Relief befindet. Zum Abschluss soll er uns am Busterminal in Kermanschah absetzen, wo wir um 18:00 Uhr den Bus nach Tabriz nehmen möchten. Ein Telefonat der netten Reisebüro-Chefin und der Wagen steht bereits vor dem Laden, als wir mit unseren Koffern vom Hotel wiederkommen.
Als wir bei den Höhlen ankommen, lässt schon der riesige Parkplatz, der an diesem Vormittag bereits gut gefüllt ist (es ist kein Wochenende!!!), erahnen, was uns hier erwartet: eine Touristenattraktion, wie wir sie in dieser Art und Größe bisher nicht im Iran zu Gesicht bekommen haben! Ein ewig langer, von unendlich vielen Souvenir- und Imbissbuden gesäumter Weg führt uns vom Parkplatz zunächst zu den Ticketschaltern, wo unser Fahrer sich bzw. uns vordrängelt, um für 25 USD pro Person Tickets in Form von modernen, mit Guthaben aufgeladenen Plastikkarten zu erwerben. Ein kleines Stück weiter gelangen wir zum eigentlichen Eingangsgebäude des riesigen Areals, in dem bereits Massen von Menschen herumwuseln und sich vor einem Ausgabeschalter drängeln, an dem die Besucher mit mehr oder weniger passenden dunkelblauen Schwimmwesten ausgestattet werden, bevor es an der Ticketkontrolle vorbei in einen breiten Höhlengang geht. Obwohl wir noch bei keiner Sehenswürdigkeit während unserer Iran-Reise so viele Besucher auf einem Haufen gesehen haben, sind wir auch hier wieder die einzigen ausländischen Touristen.
Dieser Umstand macht sich später durchaus bezahlt, als unser Fahrer uns wiederum an einer langen Warteschlange vorbeidrängelt, in der die Besucher für einen Platz in einem der kleinen Bötchen anstehen, jeweils vier kleine rote, blaue, gelbe oder grüne Plastikboote, die von einem uralten Tretboot durch die Wasserstraßen des Höhlenlabyrinths gezogen werden. Bis wir jedoch in eines dieser Bötchen steigen können, dauert es trotz der Vordrängel-Aktion noch eine ganze Weile. Eigentlich wären die Warteschlangen auch überflüssig, denn jedes Mal, wenn eine der gezogenen Bötchenketten anlegt, schubsen und drängeln sich die wartenden Menschen dorthin, um einen der wenigen Plätze zu ergattern. Irgendwann gelingt es auch uns – mithilfe eines Ordners, der sich wahrscheinlich sorgt, dass wir im Gedränge noch in das bis zu 9m tiefe Wasser geschubst werden.
Das weit verzweigte Höhlen-Wasser-Labyrinth ist schon beeindruckend, obwohl die durchgehende, teils farbige Beleuchtung und die vielen Bootsgruppen mich eher an ein Fahrgeschäft in Disneyland erinnert. Es fehlen nur noch ein paar fröhlich tanzende Zwerge am Wegrand. Statt Erklärungen zu den verschiedenen Gesteinsformationen bilden die in regelmäßigen Abständen angebrachten Tafeln an den Höhlenwänden verschiedene Koranweisheiten ab, die sogar oft ins Englische übersetzt sind, wenn auch in einer sehr freien und mitunter eher skurril-lustigen denn sinnergebenden Übersetzung. Immerhin gibt sich unser Tretbootfahrer Mühe, ein paar seiner Ausführungen auch mit ein paar Brocken Englisch zu erklären. Auf Nachfragen kann er jedoch keine Antworten geben, offenbar hatte er die englischen Standarderläuterungen lediglich auswendig gelernt, nicht aber die englische Sprache als solche.
Nach unserer kurzen Bootstour erreichen wir einen weiteren Anleger, auf dem wir wiederum erstmal warten, bis unsere Gruppe die für die weitere Führung erforderliche Anzahl von Personen erreicht hat. Über einen aus Holzbrücken und Pontons angelegten Pfad geht es nun zu Fuß durch diesen Teil der Höhle, der mit seinen vielen unterschiedlichen Formen von Stalagmiten, Stalagtiten, Steinbögen und riesigen Gewölben nicht weniger eindrucksvoll ist. Allerdings lässt auch hier die gut ausgebaute unterirdische Infrastruktur mit gepflasterten Wegen, Stahltreppen, der guten Ausleuchtung, den vielen Papierkörben, Kameras und Steckdosen nicht gerade ein Abenteuer-Feeling aufkommen. Dazu ist hier jeder damit beschäftigt, viele hundert Fotos zu schießen, so dass sich vor jedem interessanten Ort Menschengruppen posieren und es unentwegt blitzt. Das Treiben ist jedoch mindestens ebenso sehenswert wie die Höhle an sich! Und einige iranische Familien berichten uns voller Stolz, dass sie ganz aus dem Süden oder Osten des Landes angereist sind, nur um gezielt diese sehr berühmte Höhle zu besuchen! Interessant – es scheint offenbar das Neuschwanstein Irans zu sein. 😉
Nach etwa einem Kilometer unterirdischen Fußmarsches geht es zum erneuten Einbooten, wo wiederum eine ewig lange Schlange wartet und jeder versucht, sich möglichst weit nach vorne zu drängeln. Es dauert eine geschlagene halbe Stunde, bis auch wir endlich wieder in einem Boot sitzen und unsere Tour mit einer weiteren Rundfahrt durch das Höhlenlabyrinth im Schneckentempo fortsetzen. Inzwischen ist uns hier unten in unseren dünnen Klamotten (draußen ist es brütend heiß!) auch ziemlich kalt geworden, und so sind wir ganz froh, als wir um 15:30 Uhr die Höhle wieder verlassen können. Unseren Plan hinsichtlich einer heutigen Weiterfahrt nach Tabriz haben wir zu diesem Zeitpunkt schon längst über den Haufen geschmissen – zur Erleichterung unseres Fahrers, der schon überaus nervös am Höhlenausgang auf uns wartet.
An unserem zweiten Ziel des Tages ist unser Fahrer gerade vorbeigefahren, als wir ihn daran erinnern, dass wir auch einen Stopp an der historischen Stätte machen wollten. Also dreht er noch einmal um und fragt sich durch die Ortschaft, bis wir zum leeren Parkplatz dieser Sehenswürdigkeit kommen. Schon von weitem sehen wir allerdings, dass hier außer ein paar Trümmern und vier großen Steinsäulen nicht mehr viel steht, so dass wir uns die 200.000 Rial Eintritt hier lieber sparen und stattdessen unmittelbar weiter nach Bisotun fahren.
In Bisotun angekommen, bekommen sie unsere 200.000 Rial dann doch noch – wenn es darum geht, den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen, scheint der Iran geradezu professionell aufgestellt zu sein. So professionell, dass an der Kasse natürlich nicht erwähnt wird, dass die Hauptattraktion dieser Stätte, das Relief des Darius, gerade restauriert wird und wegen eines aus diesem Grund davor aufgestellten Baugerüsts überhaupt nicht zu sehen ist. Unser Geld nehmen sie trotzdem gern.
Ein Stück weiter soll laut Informationstafel in einer riesigen Felswand das eingemeißelte Bild eines Frauenkopfes zu sehen sein. Allerdings vermögen wir es auch nach 30 Minuten angestrengten Starrens nicht zu entdecken! Wir scheinen nicht die Einzigen zu sein, denen es hierfür offenbar an Phantasie zu mangeln scheint, wie wir den ratlosen Gesichtern der neben uns ebenfalls auf die Felswand starrenden Familie entnehmen. Sollte einer von Euch auf diesem Foto ein Gesicht entdecken, würde ich mich über einen Tipp freuen.
Immerhin bekommen wir für unser Eintrittsgeld noch eine alte Karawanserei zu sehen, bzw. was davon übrig ist, nämlich ein paar halbe Mauern und einige herumliegende Steine.
Unsere Weiterfahrt nach Tabriz verschieben wir auf morgen, die Sonne geht bereits unter, als wir Bisotun verlassen, so dass wir heute stattdessen in Kermanschah übernachten. Übers Internet buchen wir mit dem Handy ein Zimmer im Hotel Dariush für 28 EUR die Nacht. Das Zimmer ist zwar extrem hässlich, aber funktional, die Betten sind hier nicht ganz so steinhart, und obwohl der Austausch der Bettlaken nach Auskunft der Rezeption eigentlich erst morgen anstünde, machen sie heute auf unsere nette, aber bestimmte Bitte heute mal eine Ausnahme, selbst wenn sie unser Problem damit nicht so recht nachvollziehen können und es erst eines Telefonats mit irgendjemanden und das Weiterreichen des Telefonhörers bedarf.
Nach dem Abendessen im Zentrum Kermanschahs, das aus einem Falafel in der Magerversion, einem Vanille-Softeis und einigen Colas bestand, werden wir auf unserem nächtlichen Spaziergang gegen 22:00 Uhr noch von zwei kurdischen NGO-Aktivisten angesprochen, mit denen sich noch eine extrem interessante Diskussion über Politik im Allgemeinen und im Besonderen an einer Straßenkreuzung – auf englisch und französisch gemischt – entspinnt. Auch ein ungewöhnliches Erlebnis, das wir so nicht erwartet hätten!
Für morgen steht endlich die Weiterfahrt gen Norden nach Tabriz auf unserem Programm, vorher möchten wir uns aber noch die örtlichen Highlights anschauen, da wir nun ohnehin in der Gegend sind…