Iran 10 – Qom-Hamedan

Tag 10: Qom

Die lange Fahrt mit dem Nachtbus von Shiraz nach Qom zum Glück deutlich besser als wir es nach der letzten Nacht(tor-)tour befürchtet hatten. Unser Bus war noch etwas komfortabler und im Gegensatz zur letzten Nachtfahrt gab es diesmal auch keine Unterbrechungen durch Polizeikontrollen, so dass wir tatsächlich ein paar Stündchen Schlaf finden konnten.

Während wir durch die meist karge Wüstenlandschaft und immer wieder auch durch kleine Dörfer fahren, fallen mir die unzähligen Autowerkstätten auf, die mit großen Schildern für Mercedes (mitunter auch Mercedis, Mercedes Bens oder andere kreative Schreibweisen), BMW und Audi werben, obwohl ich bisher keine Handvoll Autos dieser Marke auf den iranischen Straßen gesehen habe. Interessant sind auch die zahllosen kleinen Zelte, die auf Autobahnraststätten neben den jeweiligen Autos oder direkt neben der Fahrbahn aufgestellt wurden, um mit der ganzen Familie darin zu übernachten.

Gegen 9:00 Uhr erreichen wir also halbwegs ausgeschlafen und gut gelaunt die heilige Stadt Qom, allerdings hält unser Bus diesmal nicht an einem Terminal, sondern vor einer Mautstation an der Autobahn, wo allerdings schon einige Taxen warten. Da Qom nur ein Zwischenstopp zu unserem eigentlichen Ziel, dem Westen Irans mit Hamedan, Kermanshah usw., sein soll und wir auch noch nicht so genau wissen, wie viel Zeit wir hier verbringen möchten, ist unser Plan, das Gepäck zunächst am Busterminal zu deponieren. Für 100.000 Rial lassen wir uns daher zunächst mit dem Taxi dorthin bringen.

An der Busstation erfahren wir, dass täglich nur ein einziger Bus nach Hamedan fährt und zwar schon um 15:00 Uhr – nicht gerade viel Zeit, um eine der religiösesten aller iranischen Städte zu erkunden. Wir lassen also zunächst offen, ob wir den Nachmittagsbus nehmen, werden aber netterweise unser Gepäck im Büro hinter dem Ticketschalter eines Busunternehmens los, denn an eine offizielle Gepäckaufbewahrung hat man beim Bau des brandneuen Terminals offenbar leider nicht gedacht.

Für weitere 100.000 Rial nehmen wir das nächste Taxi und lassen uns zunächst zur Hauptattraktion der Stadt bringen, dem Fatemeh Masumeh Schrein, der das zweitwichtigste Heiligtum des gesamten Landes darstellt. Natürlich können wir auch hier nicht einfach reingehen, sondern müssen als Ausländer (und unterstelltermaßen Nicht-Muslime), wie bereits in Shiraz, von einem offiziellen Führer begleitet werden. Dieses Mal ist es ein waschechter Imam, der diese Aufgabe für uns zwei übernimmt und uns dabei mit seinem sehr guten Englisch beeindruckt. Und natürlich müssen weibliche Besucher mal wieder Vollschleier tragen, wie Lisa vor sich hin fluchend zur Kenntnis nimmt…

Der Schrein ist aber alle Mühe wert, denn er ist noch größer und imposanter als der letzte, und auch hier ist er im Inneren mit hunderttausenden kleinen Spiegelkacheln verziert, so dass alles blitzt und blinkt. Touristen sieht man hier keine, und auch „unser“ Imam erzählt uns, dass ausländische Besucher hier eher rar sind. Er gibt uns seine Visitenkarte und bittet uns, ihm später eine E-Mail zu schreiben, wie es uns gefallen hat und was wir über den Besuch des Schreins denken. Er wünschte sich explizit, dass mehr Besucher kämen und diesen schönen Ort besuchten. Es entwickelt sich ein höchst interessantes Gespräch über die Boulevard-Presse, Pegida, Trump und dumme Menschen im Allgemeinen, in dem schnell klar wird, dass der Imam erstaunlich gut über das Weltgeschehen informiert ist, trotz der hier sehr eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu freien Informationen.

Als wir den um diese frühmorgendliche Stunde an einem ganz normalen Werktag enorm stark frequentierten Schrein (Familien mit Kind und Kegel kommen hier regelrecht pilgernd her, im Innern natürlich Männlein und Weiblein fein säuberlich voneinander getrennt, aber in beiden Sektoren herrscht dann doch ein recht profaner Umgang mit den weltlichen Bedürfnissen wie beispielsweise Stillen von Säuglingen, Kommunizieren auf den omnipräsenten Smartphones oder eben Aufladen derselben, Nickerchen auf dem Teppichboden halten etc.!) nach bestimmt zwei Stündchen wirklich imposanter und nachhaltiger Besichtigung wieder verlassen, kommt uns eine der vielen schwarzgekleideten Omis entgegen, die sogleich auf Lisa zustürmt und ihr einen dicken Schmatzer auf den Mund gibt – offenbar verzückt vor Freude, dass sie als Ausländerin hier einen Vollschleier trägt, wie uns der Imam erklärt. Gleichzeitig erklärt er der Omi, dass derlei Sympathiebekundungen eher nicht so angebracht sind – aus hygienischen Gründen… 😉

In unmittelbarer Nähe zum riesigen Areal des Heiligtums befindet sich die alte Basarbrücke, die hier zwar als Sehenswürdigkeit genannt wird, jedoch außer ein paar Ramschläden nicht wirklich viel zu bieten hat, sowie der alte Basar mit seinen vielen kleinen Geschäften. Nachdem wir schon so viele Basare im Iran gesehen haben, spazieren wir lieber zum Imamzadeh Shah Hamzeh, ein sehr altes Mausoleum mit einem blauen konischen Turm, sowie zum Garten der drei Grabtürme, grüne Spitztürme, die ebenfalls ein interessantes Fotomotiv abgeben. Entlang unseres Weges durch diese durchaus charmante Stadt begegnen uns zahlreiche extrem fotogene Menschen – das mag zum einem an der überall sicht- und fühlbaren Religiösität der Bewohner Qoms liegen, zum anderen aber auch an deren Offenheit und Lächeln auf den Lippen, sobald sie uns wahrnehmen. Einmal mehr lautet unser Fazit: Was sind die Iraner nur für herzliche Menschen!!!

Nach einem schnellen Mittagessen in einem kleinen Kebab-Restaurant, wo wir die einzigen Gäste sind und mit dem Besitzer mal wieder nur per Zeichensprache kommunizieren können, fahren wir mit dem Taxi für 75.000 Rial zurück zum Busterminal, wo wir unser Gepäck abholen und für weitere 210.000 Rial pro Person Bustickets nach Hamedan kaufen.

Garten der drei Grabtürme

Schon vier Stunden später kommen wir am Busterminal von Hamedan an. Mit einem weiteren Taxi geht’s für 50.000 Rial zum Hotel Marmar, das wir zuvor im Internet unter den überschaubaren Angeboten dieser Stadt herausgesucht hatten. Es gleicht einer Baustelle, schon im Foyer liegt haufenweise Schutt und Baumaterial herum, und auch auf den Fluren der oberen Etagen sieht es kaum anders aus. Eine Renovierung scheint allerdings auch dringend geboten. Eigentlich ist nur ein Dreibettzimmer frei, für das auch hier wieder der Preis für drei Personen verlangt wird, obwohl wir nur zu zweit sind. Nach zähen Verhandlungen mit dem Rezeptionisten bekommen wir das Zimmer am Ende für 40 EUR. Immerhin ist es sehr groß, und die Betten sind hier nicht ganz so steinhart wie in den vorherigen Hotels, dafür ist es ziemlich laut, da das Hotel an der Ecke einer Hauptstraße und der Schnellstraße liegt und die Fenster eher ein Provisorium sind… Man nimmt, was man kriegen kann!

Der Altstdtkern Hamedans ist super geschäftig, wie wir bei unserem ersten Bummel durch die Stadt feststellen dürfen: Noch bis 23:00 Uhr sind die Straßen gefüllt, und auf dem Night-Basar um den zentralen Imam Khomeini Square der sternförmig angelegten Stadt tobt das Leben. Insgesamt wirkt hier alles sehr wohlhabend – wenngleich das Warenangebot auf dem Basar nur bedingt zum Kaufen einlädt – und wenig touristisch, so dass wir natürlich einmal mehr als absolute Exoten wahrgenommen werden. Zum Abendessen landen wir in einem offenbar sehr beliebten und übervollen Falafel-Laden, bei dem man an der Kasse nur das Brot bekommt, das man sich an den Stationen eines Buffets selbst befüllt – einer der besten Falafel, die ich je gegessen habe! Natürlich kommt man in der Buffet-Schlange wieder schnell ins Gespräch mit den Einheimischen, die uns auch hier in Hamedan mit ihren wenigen Brocken Englisch herzlich willkommen heißen.

Zum Nachtisch gibt es noch ein sehr leckeres Schoko-Mango-Cranberry-Eis, das uns auf unserem weiteren Spaziergang der nette Verkäufer einer Eisdiele trotz unseres wiederholten Protests unbedingt schenken möchte. Hamedan gefällt uns als schönes kleines und authentisches Städtchen mit sehr netten Menschen ausgesprochen gut!

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