Tag 8: Shiraz
Völlig gerädert erreichen wir um 8:00 Uhr morgens den Busbahnhof von Shiraz. Obwohl der Bus selbst eigentlich sehr komfortabel war, war an Schlaf kaum zu denken, weil auf der Strecke ständig Polizeikontrollen durchgeführt wurden, so dass das Licht angeschaltet wurde und Polizisten durch den Bus gingen. Die Route wird offenbar auch gern von Drogenschmugglern aus Afghanistan und Pakistan genommen und so mussten wir gegen 4:00 Uhr auch alle einmal den Bus verlassen, damit eine Durchsuchung des Busses mit Drogenspürhunden erfolgen konnte.
Wie in jedem Ort werden wir natürlich auch hier bereits beim Aussteigen von den örtlichen Taxifahrern umzingelt, die uns zum Hotel chauffieren möchten. Allerdings haben wir diesmal noch gar keine Adresse, denn die Prepaid-Karte für das Handy war leer und Internet stand uns dementsprechend nicht mehr zur Verfügung. Wir machen uns also erstmal in den öffentlichen Toiletten des Busbahnhofes frisch, laden in einem kleinen Handy-Shop die Sim-Karte neu auf und suchen nach einem günstigen Hotel. Unsere Wahl fällt auf das Golshan Hotel, das den Fotos nach wieder in einem historischen Haus mit schönem Innenhof liegt, so dass wir uns für 70.000 Rial mit dem Taxi zu diesem Ort bringen lassen. Nach zähen Verhandlungen mit dem dortigen Rezeptionisten lassen wir uns auf einen Preis von 40 USD pro Nacht ein, auch wenn wir finden, dass es das angebotene Hotelzimmer nicht wert ist. Auf der anderen Seite hatten wir auch schon schäbigere Zimmer zu einem höheren Preis bekommen, und da wir übermüdet sind und auch keine Lust haben, uns mit unserem Gepäck auf der Suche nach einem Hotel weiter durch die noch völlig unbekannte Stadt zu bewegen, schlagen wir bei diesem erstbesten Zimmer ohne weiteres Aufheben zu…
Nach dem Check-in machen wir uns als erstes auf die Suche nach einer schönen Frühstückslocation, werden aber leider nicht wirklich fündig. Stattdessen gibt es heute mal Schokoladeneis zum Frühstück, das wir auf einer Bank an einer belebten Straße mitten im Geschäftszentrum verspeisen. Immerhin gibt es hier jede Menge Unterhaltung: Auch wenn kaum einer, der vorbei kommt, Englisch spricht, versuchen einige Leute etwas unbeholfen ein Gespräch mit uns zu beginnen. Zwischendurch kommt immer wieder ein junger Mann aus dem Laden gegenüber und fragt, woher wir kommen, ob er uns helfen kann, ob wir einen Tee möchten, usw… Lustig!
Unser erster Eindruck von der Stadt Shiraz ist ansonsten nicht so toll – alles wirkt etwas alt und heruntergekommen, etwas schmutziger als andernorts, und wir sehen wenig richtig schöne Straßenabschnitte. Obwohl mit Persepolis eines der Highlights für Iran-Touristen ganz in der Nähe liegt, wirkt diese Stadt ganz und gar nicht auf den Tourismus ausgerichtet, was sie andererseits auch wieder authentischer wirken lässt.
Auf unserem Bummel durch die Stadt schauen wir uns als erstes das Hamam-e Vakil Badehaus an. Für den Eintrittspreis von 150.000 Rial pro Person wird ein altes Badehaus geboten, in dem plumpe Geisterbahnfiguren à la Siebziger Jahre, in traditioneller Kleidung und mit aufgeklebten Bärten, hinter Plexiglasscheiben das frühere Geschehen nachstellen. Unter dem Strich eine eher „bescheidene“ Touristenattraktion, die unserer Meinung nach den Eintritt nicht wert ist, zumal z.B. das alte Badehaus in Kashan deutlich hübscher ist.
Ein Stück weiter die Straße hinunter gelangen wir zur Vakil Moschee, die wiederum für 150.000 Rial zu besichtigen ist und ein schönes und sehr spezielles Säulen-Innenleben aufweist. Das ist die besondere iranische Architekturkunst, die wir im Kopf hatten, als wir uns auf dieses Reiseabenteuer das erste Mal gedanklich eingelassen hatten!
Der Basar von Shiraz ist auch sehr sehens- und damit besuchenswert, allerdings haben wir inzwischen schon deutlich imposantere gesehen, und irgendwie wiederholt es sich auch…
Der Schāh Tscherāgh oder Schāh-e Tscherāgh Shrine ist dagegen nicht nur sehenswert, sondern auch kostenlos zu besuchen, wenn auch – als ausländischer Besucher – ausschließlich in Begleitung eines Guides. Er wurde als Begräbnisstätte von Amir Ahmad, der auch der „König des Lichts“ genannt wurde, und seinen Bruder Mir Muhammad gebaut. Der vordere Teil des Schreins ist mit unzähligen winzigen Spiegelkacheln in Mosaiksteinchenformat geschmückt, die den gesamten Innenraum faszinierend leuchtend und glitzernd erscheinen lässt, der hintere Teil beherbergt einen riesigen Gebetsraum. Frauen müssen hier, wie in jedem dieser heiligen Schreine, ausnahmslos einen Hijab tragen. Als ausländische Touristin bekommt man am Eingang ein kostenloses Leihgewand, bevor der örtliche Tourguide mit hochoffizieller Schärpe durch den Schrein führt. Nebenbei erzählt er uns in gutem Englisch, dass sein Bruder übrigens Fahrer sei und für Touren nach Persepolis 5% Discount zum Hotelfahrerpreis anböte. Wir überlegen es uns.
Für heute habe ich genug von Moscheen. Während sich Lisa daher für weitere 150.000 Rial auch noch die Nasr-ol-Molk Moschee anschaut, bleibe ich auf der Mauer vor dem Eingang sitzen und unterhalte mich mit einem alten Mann, der sich ebenfalls ein wenig ausruht, wobei Unterhaltung hier sehr weit ausgelegt wird. Tatsächlich beschränkt sich unsere Kommunikation ausschließlich auf Zeichensprache und Mimik. Er signalisiert mir, dass ihm die Knie wehtun, ich verziehe mitfühlend das Gesicht und gestikuliere fragend, ob er keine Salbe oder Tabletten dagegen hat, usw..
In einem Reiseführer hatten wir mal gelesen, dass der Eram-Garden eines der Touristenattraktionen in Shiraz sei, und so lassen wir uns mit dem Taxi dorthin bringen. Die großzügig angelegte Gartenanlage erinnert zunächst an einen eher durchschnittlichen Botanischen Garten, allerdings ist er von Einheimischen so gut besucht, dass hier richtig viel los ist und ein großes Spektakel bietet: Familienausflüge mit Picknick, händchenhaltende Pärchen, tobende Kinder… und unheimlich viele Besucher, die ein Foto mit uns machen oder sich mit uns unterhalten wollen!
Ein etwa 14-jähriges Mädchen erzählt uns, sie lerne seit sechs Jahren Englisch und fragt nun unter den stolzen Augen ihrer gesamten Familie, ob sie es anwenden und uns etwas über den Iran erzählen dürfe. Selbstverständlich darf sie, und sofort beginnt sie damit, scheinbar auswendig gelernte Tourismus-Broschüren vorzutragen. Skurril wird es, als sie uns fröhlich vor ihrer freundlich lächelnden Familie von den vielen iranischen Feiertagen berichtet, insbesondere dem Independence-Day, an dem es üblich ist, die Flaggen seiner Feinde zu verbrennen. Ich erinnere mich an Bilder im Fernsehen von diesen Flaggenverbrennungen und kann mir die Stimmung dieses Feiertags gut vorstellen, die für mich aber irgendwie nicht mit dieser netten Familie in Einklang zu bringen ist…
Noch skurriler wird es, als wir ein Stück weiter eine Gruppe Malschülerinnen unter einigen schattenspendenden Bäumen sitzen sehen, die in dieser schönen Gartenanlage eifrig auf ihren Blöcken zeichnen. Als wir im Vorbeigehen neugierig auf die Blöcke schauen, sehen wir nicht etwa Blumenwiesen oder Landschaftsbilder, sondern Portraits von Barack Obama, Angelina Jolie, Leonardo di Caprio und anderen internationalen Promis!!! Keine Parodie
Wir schauen noch eine gute Weile dabei zu, wie der Parkwächter immer wieder aufgeregt in seine alte Trillerpfeife pustet, wenn jemand den guten Rasen betritt, dann nehmen wir uns schließlich ein Taxi und lassen uns für 50.000 Rial zum Koran Gate fahren, eine Art Siegestor, das abends hübsch illuminiert ist.
Auch hier ist es zur Dämmerstunde und darüber hinaus richtig belebt: Zahlreiche Familien haben auf dem breiten Fußweg ihren Perserteppich zum Picknick ausgerollt, es wird Shisha geraucht, gegessen oder über den Fußweg flaniert. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kann man die 650 Stufen zu einem aus einen kleinen Kuppelgebäude bestehenden mittelalterlichen Beobachtungsposten hochsteigen, von dem man einen tollen Blick über die Stadt hat. Neben einem modernen Luxushotel und der besuchbaren Grabstätte des Sufi-Dichters Khaju Kermani befindet sich in der Nähe außerdem noch ein großer Freizeit-/Vergnügungspark, der heute als wir vorbeispazieren allerdings schon geschlossen hat.
Den Rückweg zum Hotel legen wir insgesamt zu Fuß zurück, weil wir unterwegs noch in ein nettes Restaurant einkehren möchten. Stattdessen landen wir in einem offenbar in der Nachbarschaft sehr beliebten Kebab-Laden, aus dem es schon von weitem super-lecker duftet. Wir setzen uns an einen freien Tisch draußen vor dem Lokal und bestellen zwei Spieße, die aus mindestens einem Pfund Hack zu bestehen scheinen. Sehr viel und sehr lecker! Nur beim Bezahlen gibt es ein wenig Verwirrung, weil die Rechnung doch ein wenig zu hoch erscheint. Mithilfe einer Deutsch-Iranerin, die gerade mit einer 10-köpfigen italienisch-französischen Reisegruppe zum Abendessen hineinkommt, kann das Missverständnis jedoch schnell geklärt und der korrigierte Betrag beglichen werden.
Zurück im Hotel sehen wir einen Aushang, der einen Ausflug nach Persepolis anbietet. Um 8:30 Uhr soll es losgehen, wir stellen daher den Wecker für den Folgetag auf 7:30 Uhr und schlafen erschöpft, aber sehr zufrieden ein.