Salar de Uyuni I – Endlose Weite
Bevor es richtig losgeht, machen wir noch einen kurzen Halt an einem kleinen Lädchen, wo die Teilnehmer eine letzte Möglichkeit erhalten, sich für die nächsten drei Tage mit Reiseproviant einzudecken – zwar zu saftigen Preisen, aber immerhin Schoki, Kekse, Chips, Coke etc. available! Dann geht es aber los.
Bereits nach zehn Minuten Fahrt steht vor den Toren der Stadt unser erster Halt an und wir befinden uns an einem richtig coolen Eisenbahn-Friedhof! Mitten im Wüstensand reihen sich hier die Stahlgerippe zum Teil über 100 Jahre alter Lokomotiven und Waggons als Überbleibsel und stumme Zeitzeugen einer goldenen Ära des Berg- und Eisenbahnbaus aneinander. Als der Bergbau Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts eingestellt wurde, stellte man die nun nicht mehr gebrauchten Züge einfach mitten in der Wüste ab, schlachtete sie aus und ließ die übriggebliebenen Metall-Gerippe verrotten. Heute stellt dieser Ort eine viel besuchte Touristenattraktion dar und der morbide Charme des Verfalls ist zum begehrten Fotomotiv geworden. Eine Weile klettern wir auf den verrosteten und löchrigen Lokomotiven herum und knipsen fleißig lustige Schnappschüsse auf, neben, unter und zwischen den Relikten, dann geht es weiter in die Salzwüste.
Während unser bolivianischer Fahrer beim nächstem Stopp eine Stunde später unser Mittagessen in einem großen, komplett aus Salzblöcken errichteten und an den Seiten offenen Gebäude zubereitet, ist für den Rest der Gruppe zunächst ein ausgedehntes Foto-Shooting im ausgetrockneten Salzsee angesagt – so wie das alle Touristen hier praktizieren. Wir befinden uns nun mitten in der berühmten Salar de Uyuni, der weltweit größten Salzwüste, die in alle Richtungen bis zum Horizont und weiter reicht – unglaublicher Anblick! Diese scheinbar unendliche weiße Weite ist schon ziemlich faszinierend und bietet einen perfekten Ort für jede Art von lustigen Trickfotos – die Besucher versuchen sich im akrobatischen Perspektivverzerrspiel regelrecht gegenseitig zu übertrumpfen… Kaum zu glauben, dass sich erstens auf über 4000 Meter Höhe mal ein so riesiger See befunden hatte und zweitens dieser inzwischen komplett verschwunden ist. Das Mittagessen ist nicht besonders erwähnenswert, aber wir sind ja auch nicht wegen des guten Essens hier.
Am Nachmittag stoppen wir dann bei der Isla del Pescado, der sogenannten Fischinsel, auf der wir allerdings keine Fische antreffen, sondern unendlich viele Kakteenbäume, die ein echt cooles Landschaftsszenario vor der weißen Salzwüste abgeben. Tatsächlich erscheint diese bewachsene Erhebung inmitten der Wüste wie eine Insel im Schneemeer, da der umliegende Salzsee optisch wie ein riesiges weißes Meer wirkt. Während wir munter zwischen den Kakteen über Stock und Stein klettern, macht sich die Höhenluft der über 3600 Meter durch eine recht schnelle Kurzatmigkeit schon bemerkbar. Unser Fahrer will uns unbedingt die Schönheit der weißen Ebene im Nirvana zur Sonnenuntergangszeit zeigen und so machen wir uns dann auch wieder auf den Weg zu einer dafür besonders schönen Stelle – nice!
Die erste Nacht in der Uyuni-Wüste verbringen wir in einem vollständig aus Salz errichteten Hotel, einem der raren Unterkunftsmöglichkeiten. Rar auch deshalb, weil ein neues Gesetz zum Schutz der Uyuni nunmehr den Bau weiterer Salzgebäude untersagt. Der Begriff „Hotel“ hat natürlich großen Spielraum, in unserem Fall könnte man eher sagen, dass es sich bei unserem nächtlichen Obdach um eine ziemlich spartanische Herberge handelt, welche von einer bolivianischen Großfamilie betrieben wird. Sie bereitet uns auch das Abendessen zu und in einem Nebenraum lassen sich teure Luxusgüter wie beispielsweise warme Cola, Toilettenpapier oder ein Leihhandtuch zu überhöhten Preisen kaufen. Überhaupt lässt sich der Familie die enorme Geschäftstüchtigkeit nicht absprechen, so zahlen wir für einmal warm duschen 20 Bolivianos und für die Handtuchmiete nochmal 15 Bolivianos extra. Angesichts der klimatischen Bedingungen ist das Duschen im öffentlichen Unisex-Sanitärbereich dennoch eine ausgezeichnete Idee, für uns selbst wie auch für unsere Mitreisenden.
Die Nacht wird nicht nur aufgrund der unbequemen Matratzen weniger angenehm: Der schon erwähnte Burger aus Copacabana entscheidet sich spontan, heute Nacht erneut vorstellig zu werden. Nachdem ich zunächst eine weitere praktische Verwendung für eine leere Pringles-Dose gefunden habe, renne ich den Rest der Nacht vom Bett, zum Klo, zum Bett, zum Klo usw. Offenbar bin ich damit allerdings nicht allein auf weiter Flur, denn in der Nachbarkabine des Kollektivbads höre ich in einen Mitleidenden, der sich allerdings die Wege zurück spart und gleich die gesamte Nacht im Sitzen verbringt.
Mein Leid hatte auch Auswirkungen für unsere Hotel-Mitbewohner, da lautstark quietschende Zimmertüren sicher auch diese vom Schlaf abhielten, wie die tiefen Augenränder am Frühstückstisch anschaulich demonstrierten. Auch das von uns über Nacht aufgebrauchte Toilettenpapier trug nicht unbedingt zur Freude der anderen Wüsten-Touris bei, v.a. da sich unser Wirt weigerte, diese Ressource wieder aufzufüllen. Er habe schließlich am Vorabend eine ganze Rolle neu hingehängt…