Tierra Santa

Ein Besuch im Themenpark „Tierra Santa“ – Religion aus Plastik

Sicher zu den wohl schrägsten Themenparks der Welt gehört die „Tierra Santa“ in Buenos Aires, am Rio de la Plata gelegen, direkt neben dem Aéroparque Jorge Newbery.  Das „Heilige Land“ widmet sich thematisch ganz den verschiedenen Welt-Religionen, wobei das Christentum unzweifelhaft den Hauptteil der Szenerie einnimmt.

Schon vor den Eingangstoren werden die Besucher von römischen Soldaten in Kunststoffrüstungen begrüßt, die bereitwillig für Selfie-Shots aller Art zur Verfügung stehen. Gleich daneben reihen sich Plastik-Kamele und -Esel neben orientalisch anmutenden Kunststoff-Figuren, die bereits einen Eindruck vermitteln, was den neugierigen Besucher in den nächsten Stunden hier erwartet: In Plastik gegossene religiöse Stätten, verteilt auf eine Fläche von rund sieben Hektar!

Für ein Eintrittsgeld von 100 Pesos  (je nach Wechselkurs 7-10 $), betreten wir ein künstliches Dörfchen, das in etwa eine Mischung aus Bagdad, Jerusalem und dem alten Rom darstellt. Flache beige Gebäude in Sandstein-Optik, runde Torbögen, verzierte Fenster, goldene Kuppeln, kleine Tempel und Synagogen, dazwischen als Farbtupfer künstliche Palmen und Eselskarren aus Plastik. Die Große Moschee fehlt hier ebenso wenig  wie ein Plastik-Gandhi, eine Figur von Papst Johannes Paul II., Mutter Theresa, Martin Luther oder eine Nachbildung der Jerusalemer Klagemauer, die, obgleich ebenfalls ein ziemlich kitschiges Plastik-Imitat, von den Besuchern eifrig mit Gebetszetteln gespickt wird – ganz wie in der echten  Welt. Es heißt, dass die Parkbetreiber diese Zettelchen tatsächlich zum Original nach Jerusalem weiterleiten würden.

In regelmäßigen Abstanden wurden auf dem gesamten Parkgelände unzählige Plastik-Kamele, -Kutschen und -Figuren aufgestellt, die zu Erinnerungsfotos für’s Familienalbum einladen – eine Aufforderung, der Argentinier wie Touristen nur allzu gern nachkommen. Der Sohnemann auf einem Eselskarren und die Frau neben dem Kamel – hihi, wie lustig…

Obwohl wir in diesem Dörfchen zunächst nur das omnipräsente Plastik sehen, sind wir doch nach einer Weile beeindruckt von der Detailfülle und beginnen sogar, uns tatsächlich ein wenig wie im Morgenland zu fühlen. Über Widersprüche der Darstellungen verschiedener Epochen und Religionen sehen wir dabei ebenso hinweg wie über die tieffliegenden Flugzeuge im Landeanflug auf den direkt angrenzenden nationalen Flughafen, die einen bizarren Kontrast zum eher beschaulich daherkommenden Altertum darstellen.

Wir bekommen Hunger und entscheiden uns, einen Tisch in einem der verschiedenen orientalischen Restaurants des Parks zu suchen und werden in der „Arche Noah“  fündig. Neben vielen arabischen Speisen wird hier ein wirklich gutes Kebab serviert und wir bekommen, obwohl der Alkoholausschank an diesem Tag wegen der Wahl eigentlich in der ganzen Stadt verboten ist, dazu ein leckeres Bier. Hier gilt halt nur das göttliche Gesetz!

Zu den Hauptattraktionen des Parks gehören die regelmäßig stattfindenden religiös thematischen Shows und Vorführungen. So werden wir im Eingangsbereich zunächst in eine Plastik-Grotte geführt, in der wir entlang ausgestellter Plastik-Protagonisten unterschiedlicher religiöser Provenienz schließlich zur halbstündlich stattfindenden Vorführung eines Krippenspiels gelangen. Die mechanischen Darsteller wecken dabei ein wenig nostalgische Erinnerungen an alte Geisterbahnfiguren aus den 70er Jahren, die sich nur sehr eingeschränkt und abgehackt bewegen konnten, und auch die begleitende Licht-Show erinnert eher an alte Kindertage, in denen man auf Geburtstagspartys die Lichtorgel noch durch rhythmisches Bedienen des Lichtschalters ersetzte.

Während wir noch darüber nachdenken, ob es eigentlich politisch korrekt ist, sich in einem religiösen Themenpark zu amüsieren oder ob man hier eher taktvolle Zurückhaltung üben sollte, sehen wir, dass sich einige Besucher zwei Reihen vor uns während der Show wiederholt bekreuzigen und geradezu verzückt der hier nacherzählten Geschichte der Geburt Jesu lauschen, die dem Publikum über schepprig klingende Lautsprecher nahe gebracht wird. Dies scheint auch nicht die Ausnahme zu sein – tatsächlich gibt es geradezu Wallfahrten zu diesem Ort und den größten Andrang erhält der Themenpark offenbar während der Osterfeiertage.

Der zweite Teil der Jesus-Trilogie zeigt das letzte Abendmahl, ebenfalls dargestellt von recht einfachen Roboter-Figuren, die uns schauspielerisch nicht so richtig überzeugen können. Das hält die Zuschauergruppen im rappelvollen Saal jedoch auch hier nicht davon ab, sich zu bekreuzigen, Fotos zu schießen und ihre Kettchen zu küssen, die man natürlich ebenfalls in den auf dem Gelände zahlreich vorhandenen Souvenirshops käuflich erwerben kann. Geldquellen anzapfen, lautet die Devise – gewusst wie!

Das Highlight des Parks ist jedoch eindeutig die Auferstehung Jesu Christi, bei der zu jeder vollen Stunde in musikalischer Hallelujah-Begleitung eine gigantische Jesus-Plastikfigur mit ausgebreiteten Armen aus dem Kunststoff-Berg hochfährt, den Blick nach oben richtet und die Handflächen zum Himmel dreht, während unten vor dem Berg hunderte Besucher verzückt mit ihren Kameras draufhalten und filmen und fotografieren, was das Zeug hält.

Zum Abschluss erwartet uns noch ein Show-Act auf der Agora, dem großen Marktplatz, bei dem eine Gruppe Frauen in orientalischen Gewändern eine Bauchtanz-Vorführung zeigt – nicht wirklich religiös, passt aber immerhin zum antiken Ambiente und bietet einen unterhaltsamen Abschluss des unseres Tages im Park.

Auch wenn man nicht so viel mit Religion am Hut hat, ist die „Tierra Santa“ auf jeden Fall einen Besuch wert! Zwar haben wir wohl noch nie zuvor so viel Plastik und Kitsch in derart geballter Form gesehen, müssen aber dennoch festhalten, dass wir einen wirklich großartigen Tag mit unseren internationalen und religiös durchaus unterschiedlich gepolten Freunden dort verbracht haben. Vale la pena, sin alguna duda.

Wer sich die „Tierra Santa“ einmal selbst anschauen möchte, allerdings nicht so bald nach BsAs kommt, der hat auch die Möglichkeit, sich über Google Street View ein Bild davon zu machen:

 

https://www.google.com.ar/maps/place/Tierra+Santa/@-34.547085,-58.433058,3a,75y,220.48h,84.78t/data=!3m7!1e1!3m5!1sIuMjp-qYBO_Ydqh0wJnkXw!2e0!3e5!7i13312!8i6656!4m2!3m1!1s0x0:0xf8ec307b64d53129!6m1!1e1

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*