Iran 06 – Yazd

Tag 6: Yazd und Umgebung

Die Nacht im Kohan Hotel war warm und stickig. Zwar gab es in unserem Zimmer einen riesigen Kasten von Klimaanlage, der mitten im Raum herumstand, aber zum einen war dieser bei Inbetriebnahme mega-laut und zum anderen war er aber auch nicht in der Lage, die Raumtemperatur wesentlich zu drosseln. Also verzichteten wir lieber darauf. Die Fenster hatte ich in der Nacht wenigstens mit einer Überdecke abhängen können, so dass die Beleuchtung vom Hof das Zimmer nicht taghell erstrahlen ließ.

Nach einer kurzen Besichtigung der Freitags-Moschee, die nachts aufgrund seiner Illumination deutlich imposanter aussieht als tagsüber, finden wir einen kleinen Kiosk, der meine heißgeliebte Cola Zero im Angebot hat. Auf der Theke, hinter der ein etwa 16jähriger Junge den Laden schmeißt, liegt ein aufgeschlagenes Englischbuch. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt uns, dass er neben der Schule private Englischstunden nimmt, weil er im Ausland studieren möchte. Während Lisa ihm in der nächsten Stunde ein wenig Unterricht gibt – eines ihrer Lieblingsbetätigungsfelder –, gesellt sich eine ältere Oma zu uns und setzt sich auf die Stufen zum offenen Ladeneingang. Immer wieder wirft sie ein paar Fragen in den Raum und der Junge erwidert einzelne englische Wörter, die sie auf einem kleinen Zettel notiert. Früher war sie Englischlehrerin, erklärt er uns, aber nun ist sie leider dement und hat die meisten Vokabeln vergessen. Die allermeisten, wie ich bedauernd feststelle, denn eine Unterhaltung auf englisch ist mit ihr leider nicht mehr möglich…

Ein Stück weiter kommen wir an einem Reisebüro vorbei und da hier in der Stadt am Freitag (Feiertag!) nicht viel los zu sein scheint, genauer gesagt sind die Bürgersteige in der gesamten Innenstadt hochgeklappt!, buchen wir spontan für 40 EUR einen Ausflug in die Umgebung. Um 12:30 Uhr wird unser Fahrer hier sein, so dass uns noch eine gute Stunde verbleibt, die wir mit einem super leckeren Hot Dog von „Good Boy Fastfood“ auf die Hand und einem Spaziergang zur

Amir Chakhmâgh Moschee

verbringen, die sich mit ihren vielen Arkaden optisch von den anderen deutlich abhebt. Zufällig laufen wir auch unserem französischen Freund Cyril vom Vorabend erneut über den Weg, der sehr gern unseren Ausflug mitmachen würde, aber leider heute Mittag schon den Bus nach Shiraz nimmt und nun nur noch schnell etwas zu essen sucht. Nach einem hungrigen Blick auf meinen Hot Dog zieht es ihn ebenfalls zum „Good Boy Fastfood“.

Ungefähr 70 km nördlich von Yazd gelegen befindet sich das verlassene Bergdorf Kharanagh, die erste Station unseres Ausflugs. Das Wüstendorf steht bereits seit mehr als tausend Jahren und schützte die hauptsächlich zoroastrischen Bewohner vor diversen Angriffen, bevor es wohl aufgrund von Wassermangel aufgegeben wurde. Heute laden die Ruinen von hunderten miteinander verbundenen und sich über mehrere Ebenen erstreckenden Lehmhäuser zum Herumklettern ein. Eine malerische und äußerst filmreife Kulisse, auch weil das Sonnenlicht für eine Wahnsinnsstimmung sorgt, und wir ganz allein durch die kleinen Lehmgebäude klettern – abgesehen von einer Handvoll kleiner Jungs, denen wohl vor lauter Einöde in ihrem Heimatstadt langweilig ist und die sich deshalb vorsichtig-neugierig in unserer Nähe aufzuhalten versuchen… Dieser Ort hat für uns geradezu etwas Mystisches, eine ganz außergewöhnliche Stimmung – ohne Zweifel jedenfalls ein Ort, an den wir noch so manches Mal zurückdenken werden, wenn wir uns an unsere Iran-Reise erinnern werden…

Dass die einst an einer Oase gegründete Stadt Yazd ein Zentrum der zoroastrischen Religion war, merken wir auch an unserem zweiten Stopp, dem Bergdorf Chak Chak oder auch Pir-e Sabz. Der Legende nach soll sich Nikbanou, die zweite Tochter des letzten vorislamischen Herrscher Persiens Yazdegerd III im Jahr 640 vor der näher kommenden Arabischen Armee hier am Berg versteckt haben. In ihrer Furcht betete sie zu Ahura Mazda, dem Gott der Zoroastrier, er möge sie vor den Feinden beschützen. Offenbar hatte dies Erfolg, denn auf wundersame Weise soll sich der Berg geöffnet und Nikbanou vor den Invasoren geschützt haben.

Heute kann der interessierte Besucher über quälend viele Treppen zum Schrein hinaufsteigen, der ihr zu Ehren gebaut wurde. Neben der ewig tropfenden Quelle, die der Legende nach die Trauertränen des Berges in Gedenken an Nikbanou sein sollen, steht ein Baum mitten im Zentrum des Heiligtums, der ihr Hund gewesen sein soll. Auf den vielen Terrassen auf verschiedenen Ebenen sitzen ganze Familien, picknicken oder halten ein kleines Schläfchen – schließlich ist es nachmittags auch hoch in den Bergen sehr heiß. Auch wenn die vielen Treppen bei der Wüstenhitze ganz schön mühsam sind, ist dieser Ort unserer Meinung nach auf jeden Fall einen Besuch wert.

Unser drittes Ziel sind die Schweigetürme von Meyrod, ebenfalls Ort des zoroastrischen Erbes. Die Zoroastrier glauben an die Trennung und Reinhaltung der Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, so dass eine in anderen Kulturen bzw. Religionen typische Beerdigung der Toten eine Verunreinigung der Erde darstellen würde. Stattdessen wurden die Toten im Rahmen einer Zeremonie in die Schweigetürme abgelegt, damit die Geier anschließend die Knochen vom Fleisch reinigen. Später wurden die blanken Knochenüberbleibsel in ein Loch in der Mitte des Turms geworfen. Knochenreste sieht man heute keine mehr dort, trotzdem finden wir den Ort ziemlich interessant – erneut ein ziemlich mystisch-mysteriöses, oder sollen wir besser sagen, sagenumwobenes Erlebnis, welches einen im Innern erschauern lässt und welches die Gedankenwelt durchaus inspiriert, ja, geradezu befeuert – öffnet es doch anderen Sichtweisen auf Leben und Tod, den essentiellen Dingen unseres menschlichen Daseins auf diesem Planeten, neue Türen und Tore…

Zurück in Yazd lassen wir uns direkt am Busbahnhof absetzen, weil wir heute noch weiter nach Südosten fahren möchten. Für 130.000 Rial pro Person besteigen wir eine alte Mühle von Bus, die uns die knapp 400 km nach Kerman bringen wird – Gott sei Dank heil!. Da unsere Ankunft erst in der Nacht sein wird, suchen wir wieder unterwegs über die Internetverbindung meines Handys ein Hotel und reservieren es telefonisch – dieses Mal werden es 40 EUR für die Nacht. Obwohl das Akhavan Hotel schon ein wenig in die Jahre gekommen ist, ist dies das beste Zimmer, das wir in dieser Preisklasse bisher bekommen haben.

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